08
Mrz
18

Über Filme mit „Bio“-Siegel: Julian Schnabel.

 

Den New Yorker Künstler, Exzentriker, Workaholic und Frauenliebling vor dem Herrn kannte ich bisher nur aus Hochglanzblättern und weil er auf seinen Vernissagen Pyjamas und Röcke trägt, als wäre es das Normalste von der Welt.

Mit von Photos und Super-8-Schnippseln zeichnet das Film-Porträt die Entwicklung des jetzt 68-jährigen Künstlers vom Twen bis zum Großvater und vom Maler bis zum Regisseur. Wir erleben den dicklichen Jungspund, der schon in seinen Zwanzigern von seiner virilen Wirkung und von seinem schöpferischen Potenzial überzeugt ist. Wir entdecken den furiosen Kunststudenten, der unter freiem Himmel Riesen-Leinwände mit Riesen-Pinseln und Riesen-Stöcken bearbeitet. („Man muss einen grenzenlosen Glauben an das eigene Tun haben, der nicht rational ist. Man braucht blindes Vertrauen.“ Julian Schnabel)
 
Kurz darauf bestaunen wir den Society-Liebling samt Power-Ehefrau bei den ersten großen Vernissagen in New York. Später sehen wir den jungen Vater, der seinen 5-jährigen Sohn Vito resolut zum Wellenreiten zwingt. Und schließlich den Großvater, der das nackte Enkel-Baby durch den sonnigen Garten singt.
Private Momentaufnahmen sind es, die Julian Schnabel erzählen und uns in den Bann ziehen. Seine Kinder, Exfrauen und Galeristen reden über ihn, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und lassen ahnen, dass dieser mit seinem speziellen Mix aus Verrücktheit, Egozentrik und Größenwahnsinn für alle eine Herausforderung ist. Könnte es sein, dass er gerade dank dieses Charakter-Mix‘ seine riesen Patchwork-Familie zusammenhält? Einmal sitzt er auf dem Sofa, die Kamera rückt ihm ziemlich auf die Pelle,  da hält er wie zum Schutz ein Kissen an den runden Bauch und brummt: „Wenn man jemandem nahesteht, ist das letztendlich wie eine Umarmung von der Mutter“.
Große Liebe plus Mut zur Größe gehen bei ihm eine besondere Liaison ein –  zum Beispiel, wenn er für die aktuelle Ehefrau sein Atelier als gemeinsame Wohnung umgestalten will. Aus der geplanten, kleinen Nebenbei-Renovierung wird vor lauter Gestaltungsfreude ein 10-stöckiger, goldener Palast mitten in Manhattan. Wie wunderbar maßlos ist das denn.
Einen berührenden Moment erleben wir auch am Ende des Films: Am Set des tragisch schönen Films „Schmetterling und Taucherglocke“ sitzt Julian Schnabel mit seinem Filmteam am Mittagstisch und ißt Spaghetti. Da setzt sich ein Schauspieler dazu, der die davor gedrehte Szene wohl ergreifend gut gespielt hat. Julian Schnabel schaut den Mann an, lässt die Gabel fallen – und weint vor Rührung wie ein kleines Kind. Großes Kino.
Aktuelle Arbeiten von Julian Schnabel gibt’s bei VogelART GmbH, Neherstrasse 5, 81675 Munich, news@vogelartedition.com
Julian Schnabel (*1951) lebt und arbeitet in New York City und auf Long Island. Er besuchte die Universität in Houston/Texas und das „Independent Study Program“ am Whitney Museum in New York. Seine erste Einzelausstellung hatte er 1979 und seither unzählige in den wichtigsten Museen weltweit. Schnabel gilt als einer der Hauptvertreter des Neoexpressionismus und ist einer der bedeutendsten lebenden Künstler der USA. Seine Arbeit in einem Wort? Unkonventionell. Egal ob Gemälde mit unebenen Oberflächen aus gebrochenem Glas oder Porzellan, Skulpturen, Papierarbeiten, Kinofilme oder Musik. Schnabels Kreativität stammt nicht zuletzt von langen Auslandaufenthalten und Reisen quer durch Europa in den späten 70ern, der Faszination für die Architektur Gaudís und die Liebe zur Opulenz.