Über Präsentationen: Antanzen, Vortanzen, Freudentanzen.
Was sehen wir auf diesem Bild? Ein Tänzer in Jeans trägt rosafarbene Rollen leeren Papiers.
Papier ist ein Medium des Schreibenden, des Texters auch. Die Kunstzeitschrift Monopol hat dieses Tänzer-mit-Papier-Foto anfang des Jahres abgedruckt und schreibt: „Junge Künstler feiern den Tanz und junge Tänzer erobern die Kunst.“
Es geht in dem Artikel um die wachsende Offenheit, sich als Künstler gegenseitig zu inspirieren und auch das Publikum in das künstlerische Schaffen mit einzubeziehen. Kunst als lebendige Show – mich erinnert das Ganze an einen Begriff aus dem Agenturleben. Der Begriff heißt: Vortanzen!
Denn eine ungesehene Idee zu haben ist eine Sache. Die andere heißt, die ungesehene Idee an den Mann zu bringen. Dazu gibt es einen typischen Agentur-Satz: „Und wer soll das beim Kunden vortanzen?“
Nicht selten ist das dann eine Mannschaft von fünf bis zu zehn Leuten pro Präsentation, jeder davon mit eigenem Part. Geprobt wird in der Nacht vor oder im Auto auf dem Weg zum Kunden. Man will schließlich liefern. In Erinnerung bleiben – als Agentur mit der stimmigsten Choreografie.
Wenn ich den Mann mit den Papierrollen sehe, fallen mir viele solcher choreografischer Beispiele ein:
> Ein Paulaner-Pitch mit Publicis FCB in Frankfurt, bei dem ich – frisch aus Bayern kommend – nach jedem Präsentations-Kapitel aus heiterem Himmel laut „ju-huhu“ jauchzen sollte.
> Einmal musste ich für Lotto fünf Funk-Konzepte hintereinander vortanzen – samt acht verschiedener Sprecher und einem Dutzend unterschiedlicher Geräusche. Noch heute danke ich dem Kunden, dass er sich bereits nach Konzept zwei entschieden hatte.
> Irgendwann traten wir morgens um 6.30 Uhr zum Wettbewerb um den Münchner Flughafen an. Um das Kunden-Gremium wach zu halten, ließen wir mit jedem Konzept Papierflieger auf die Leute los.
> Bei einem Spirituosen-Kunden forderte ich einen Herrn aus der Kunden-Riege zu einer Rumba auf. Gemeinsam führten wir vor, dass dieser Tanz ein schrittweises Gehen ist. Und die perfekte Analogie für eine Schritt für Schritt sich aufbauende Kampagnen-Strategie.
Neun Jahre Agenturleben hieß also neun Jahre Vortanzen am laufenden Band. Sechzehn Jahre Freie Texterin heißt Antanzen als One-Woman-Show.
Hier geht es selten um die Choreografie mit Wow-Effekt. Eher darum, die Bühne frei zu geben für den Kunden! Das Produkt muss passen, die Chemie muss stimmen, das Vertrauen in einander wachsen. Das ist dann der freiberufliche Freudentanz!
Um meine eigene Marke zu setzen, schaue, frage, reagiere ich. Was zählt, ist mein kreativer Output hinterher.
Zum Jahresstart werde ich um einen Kunden im Inntal pitchen. Die gemeinsame Sprachfarbe wurde bereits am Telefon geklärt. Werde ich dort jodeln, Papierflieger werfen, Rumba tanzen?
Ich komme einfach mit einer Rolle leeren Papiers.